Necessaria tantum. Minimalistische Kunst von Axel Becker zwischen Rationalität und lyrischer Evokation

Patet ergo quod ex omnibus […] metallis potest fieri aurum et ex omnibus præter aurum potest fieri argentum […]. Nullum dubium est quod, si permitterentur in actione
Naturæ, ad tempus in aurum et argentum converterentur

(„Es ist daher klar, dass Gold aus allen […] Metallen gemacht werden kann,
und dass man mit allen Metallen, außer mit Gold, Silber herstellen kann […]. Es besteht kein Zweifel, dass, wenn man sie dem Wirken der Natur überlassen würde, sie zu einem gewissen Zeitpunkt in Gold und Silber umgewandelt werden würden“)

Pseudo Thomas von Aquin, Tractatus de lapide philosophico

Die Ausstellung des deutschen Künstlers Axel Becker (Elements) fokussiert sich auf monochrome Werke in Blau, Schwarz, Bordeaux, Gelb, Orange und Perlenfarbe: kartesianisch „klare und ausgeprägte“ grundlegende Mosaikelemente eines weiten künstlerischen Diskurses.

Axel Becker ist ein Freund der Evokation und Synthese: necessaria tantum, beziehungsweise nicht mehr wie notwendig, never beyond in seinen Bildern. Tatsächlich richtet er seine minimalistischen Beobachtungen auf eine Serie strenger Monochrome, die selbst ihrer Art nach absolut sind (mehr oder weniger große, rechteckige oder quadratische Leinwände) und die daraufhin miteinander verbunden werden oder auf denen Metalle wie „Löcher“ geschmolzen werden, die heimlich Alberto Burri zuzwinkern, oder wie „Schnitte“ aus Fontanas spazialistischer Herkunft. Diese metallischen Verkrustungen „von außen“ spiegeln virtuelle Lichtbündel wider und treffen somit das monochromatische „Innere“ des Bildes: magmatische Sedimentationen, die ein ‘jenseits’ des Bildes ‘öffnen’ und ‘aufdecken’ mittels bedeutender Lichtblitze, welche den einheitlichen Hintergrund der Leinwand mit der strahlenden Natur vereinen, frei von der wiedererkennbaren Form (bedeutungstragend, vielleicht das unerreichbare beyond). Es lässt den Anschein erwecken, dass auf diesen einfachen und 'spärlich’ minimalistischen Bildern eine lebenslange Erfahrung mitaufgefasst ist.

Der Künstler lauscht in seinen Werken das Echo der 'klassischen' geometrischen Abstraktion der Vorkriegszeit (Mondian), zu denen eher ausgesagt werden könnte, dass sie rechteckige Werke-Mosaikelemente sind, auf denen die Erfahrung aufliegt, geboren aus der Asche des Zweiten Weltkriegs und der Vernichtung jeglicher Sicherheit (schwarzes monochromes Bild), jedoch mit ausbleibenden Implikationen des französischen noir Existenzialismus, der alles auf das rein mechanische Bestehen zurücksetzte. Er geht seinen eigenen Weg folgend den Fußstapfen der nicht-existenziellen ‘Null’, doch die den globalisierten Konsumismus gegen die Natur auf Null setzt, von dem man erneut zur Einholung einer ‘Erlösung’ gehen könnte und der fast symbolisiert wurde durch die vorgenannten absoluten und ‘basischen’ Monochrome, welche ihre Wurzeln ebenfalls aus suprematistischen Erfahrungen vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts von Kazimir Maljevič ziehen (abstrakte Kunst befreit von praktischen und ästhetischen Zielen, die sich auf eine rein plastische Empfindlichkeit einlässt), aus Erfahrungen, aus denen jene aus den fünfziger Jahren von Yves Klein hervorgehen.

In der antiken Malerei bezeichnete der Ausdruck Monochrom eine Freske oder ein Bild gefärbt nur mit einer Farbe in verschiedenen Nuancen, aber Klein hat mit der Auswahl des „Monochroms“ (1956), also des ‘Einzigen’, ‘Absoluten’, letzterem eine tiefgreifende neue und andere Bedeutung verliehen: Er distanzierte sich vom Phänomen der Spektakularität und Entgegensetzung. Anders ausgedrückt, in der vom japanischen Zen beeinflussten Konzeption war die Leinwand nunmehr keine 'Inszenierung' des Dramas, der Spannungen zwischen den ungleichen Kräften (wie es die Farben und Formen sind). So repräsentiert das Monochrom „das Blau an sich, oder das Rot an sich, oder […] beispielsweise, die Landschaft des Universums in gelber Farbe […]. Ich verweigere es, ein Schauspiel aus meiner Malerei zu machen. Ich verweigere es, Elemente entgegenzusetzen.“ Für Klein war die ‘Leere’ ein ähnlicher Zustand wie das Nirwana, ohne materiellem Einfluss, ein Gebiet, in dem man unmittelbaren Kontakt zur eigenen Sensibilität aufnehmen kann, um die Realität ‘außerhalb’ ihres Erscheinungsbildes zu sehen. Klein hat in anderen Worten die künstlerische Form ihres gesamten Inhalts beraubt: die Bilder hatten keine Szenen mehr, wodurch eine „Zone der immateriellen künstlerischen Sensibilität“ geschaffen wurde.

Ebenso wie Kleins Werke beziehen sich Beckers Monochrome auf den theoretisch-künstlerischen und den philosophisch-metaphysischen Kontext: als ob das Kunstwerk sich aus deren gemeinsamen Kombinieren zusammensetzt, um auf diese Weise die abstrakte Idee wahrnehmen und auffassen zu können. Hierbei handelt es sich nicht um die ‘Vernichtung’ der Malerei in der Erwartung einer neuen und nicht definierten Inspirationsquelle, sondern für den Künstler ist ‘alles’ bereits in dieser ‘Leere’ inbegriffen, wie auch in gewissen östlichen Philosophien. Seine Monochrome repräsentieren jene ‘Leere’ erstellt aus gesättigten und absoluten Farben, aber nicht auch aus Formen und Zeichnungen, wo alles beinhaltet ist wie im Urmorgengrauen der Schaffung des Universums.

Diese Monochrome stellen eine psychologische Dimension der Räumlichkeit der kosmischen Anspielung dar, die jedoch nicht in sich selbst verschwindet.

Bei Axel haben wir keinen ‘radikalen’ oder extremisierten, leuchtenden und solaren Blick auf das Monochrom, sondern das Monochrom selbst wird nach seinen Aggregationen gesehen (nach ‘Splittern’ oder ‘Kärtchen’), beziehungsweise als Hintergrund, gerade aufgrund der Präsenz von Metallverkrustungen, der Kontinente im Treiben, die ihr Magma kühlen und erneut das abstrakt-figurative Visionärstum einführen („abstrakt-konkret“ würde wahrscheinlich Lionello Venturi sagen), das Klein fremd ist, eine für den Westen typische innere subjektive und deskriptive Emotionalität, die uns zurückgegeben wurde gemeinsam mit einer intriganten technischen Fertigkeit.

Zweifellos befinden sich in den Grundlagen von Beckers Erfahrungen zwei wesentliche Faktoren: der Minimalismus und die lyrische und symbolische Evokation.

Minimalismus - daran können wir uns leicht erinnern - war eine Kunstrichtung, die Anfang der sechziger Jahre in den Vereinigten Staaten entstand und sich entwickelte. Der Ausdruck wurde zum ersten Mal vom englischen Kunstphilosophen Richard Wollheim verwendet, nämlich im Essay unter dem Titel Minimal Art. Die minimalistischen Werke – und so auch Beckers – verwenden eine essentielle formale Lexik, sie bestehen aus nur wenigen Elementen; die formellen Matrizen sind die Geometrie, eine strenge Ausführung, ein beschränkter Chromatismus, eine signifikante Abwesenheit von Dekorationen. Allgemeiner gefasst ist die minimalistische Malerei monochromatisch, manchmal mit Rastern und Matrizen mathematischen Ursprungs, doch ist sie dennoch in der Lage ein Gefühl des Erhabenen und tiefe innere Zustände hervorzurufen. In jene letztere Bedeutung lässt sich Beckers Minimalismus einordnen.

Der Referenzpunkt ist Frank Stella, einer der größten Förderer der minimalistischen Kunst, Autor der bekannten Werke Black Series oder Black Paintings, Bilder ohne Rahmen, die aus parallelen schwarzen Streifen geteilt durch dünne weiße Linien bestehen. Doch es scheint, dass es, im Gegensatz zu Beckers, in diesen Werken keine anspielenden oder symbolischen Hinweise auf etwas gibt, sondern sie werden dem Beobachter als Objekte präsentiert, die ihren eigenen Wert tragen, weil sie einfach so sind, wie sie sind.

Auf den monochromatischen Leinwänden lagern sich manchmal gerade die genannten Metallgießereien: Das Objekt oder natürliche Erlebnis, auf welche unser Künstler anspielt, sind zu gleicher Zeit anwesend und abwesend, und der Minimalismus erreicht somit seinen Höchstpunkt. Ein Minimalismus der oftmals ‘poetische’ und, um uns so auszudrücken, fast 'neuromantische’ Akzente übernimmt, dabei, nur flüchtig, sich der lyrischen Abstraktion nähert, der abstraction lyrique über dessen Geburtsstunde Georges Mathieu 1947 entschieden hatte. So, in dieser dynamischen Entgegensetzung mit der rationalen ‘Norm’ der strengen monochromen und ‘geometrischen’ Leinwand (universalistische und zeitlose Form, die sich in ein räumliches Element seiner abstrakten Kunst wandelt, und mit der Farbe, dem grundlegenden System, unter welchem die sichtbare Realität zu spüren ist), baut sich der abstrakte Expressionismus ‘zaghaft’ über ihr auf: informelle Gießereien und gestikalische Fusionen glänzender Metalle lassen irrationale tiefe und ursprüngliche Meere, unbekannte Himmel, entfernte Universen und Galaxien, ‘fremde’ Territorien (äußerliche, aber die innerhalb des eigenen Ichs liegen) erahnen. Oberhalb der puren Logik steht die Revanche des Irrationalismus von Freud und Nietzsche. Die lyrische Ausdruckskraft Beckers distanziert somit von den Erfahrungen der programmierten Kunst und von der analytischen und konzeptuellen Malerei. Mit Übertragung der Reinheit der Farbe auf die Leinwand durch kalte und vernünftige Schemen setzt er auf die vollständige Vernichtung die Gestikalität der Materie in ihrem ursprünglichen Zustand, bevor er die Form übernimmt, die erneut versucht, einen neuen Weg zu finden, um das Bild der Schönheit zu erlangen, welche durch das Licht auf die malerischen Flächen abgebildet wurde.

In der Basis dieser wesentlichen (Wasser, Luft, Feuer, Erde) und „alchemischen“ Elemente steht eine Flamme, die nicht zerstörend ist, sondern zerschmilzt, vereint, kreiert, wiederbelebt: als ob das Wasser sich in ihrem natürlichen Fluss versteinert hätte, ein konsolidiertes Magma von 'Eruptionen’, die auf der Grundlage von inneren Gefühlen und Gedanken über die Natur erhärten; ein ‘erfrorenes‘ Schmelzen des Metalls, das an Planeten durchwachsen von Kratern, Monden, Wassertropfen, Wasserfällen, Vibrationen angehaltener Flüssigkeiten festgesteckt in ihrem Dynamismus erinnert, mit Wechsel aus der flüssigen in die feste Form, dabei das Entstehen übertragend in eine unbewegliche Dimension des Ewigen, Ewigkeit und Kontingenz dabei verschmelzend. Kreise, Tropfen und Fragmente als Münzen aus gehärtetem Wasser aus einer antiken mediterranen Zivilisation, die erneut in einer archäologischen Dimension tausendjähriger verkrusteter und korrodierter silberner griechischer Tetradrachmen hervorgeschwommen sind, die auf zeitgenössische und zukünftige Himmel projiziert sind, wo die charakterlose rationale Geometrie der monochromen ‘kalten‘ Quadrate den irrationalen 'Gegensatz' der leuchtenden und flackernden unregelmäßigen farblosen Formen aufnimmt, die infolge des natürlichen magmatischen 'Ereignisses' entstanden sind. Die glühenden geschmolzenen Metalle offenbaren in den verdichteten Massen in ihrem synthetischen silbernen Schein all den intriganten Charme der Antike, beibehalten werden dabei in strenger und vereinfachter essenzieller Modernität das Gefühl der existenziellen griechisch-römischen und kulturellen Metapher.

So wird diese einzige, auf den ersten Blick eintönige Farbe in der zahlreichen Vielfalt der vitalen Impulse belebt, die zum Denken anregen, umhüllt von einem gedämpften Lyrismus in enger Empathie zwischen Autor-Alchemiker (Becker) und Zuschauer-Beobachter, der in das Werk miteinbezogen wird.

Deswegen sind zwei Gruppen denkbar, in welche die Werke unseres Künstlers, ausgestellt in Monreale, eingeordnet werden könnten.

Die erste davon bilden Werke, von denen jedes aus einer Reihe monochromer, untereinander angenäherter Leinwände besteht, als ob sie ein Puzzle formen oder, noch besser, Mega-Kärtchen eines abstrakten und geometrischen Mosaiks nach Art von Mondrians Bildern. Vielleicht gerade deswegen, weil die Werke in Monreale ausgestellt werden, der 'Heimat' großer Mosaike, die in Gold und den Farben (grün, weiß, scharlachrot, kobaltblau) des zwölften Jahrhunderts scheinen, ist die Verbindung mit dem Mosaik gar kein Zufall. Mosaikelemente, zusammengestellt, sodass sie eine Zeichnung mit viereckigen Netzen bilden, ein bisschen wie das Harlekin-Kostüm, die theoretisch miteinander verwechselt werden könnten, wie in einigen Werken der ludo-Malerei. Doch die Komposition 'fotografiert‘ mit ihren assonanten Farben den Kern einer besonderen Realität, wie im Totem des Herbstes (Autumn), wo uns die Farbspektren zum Gedächtnis der Farben von Gold bis Rot bis Orange bis Moosgelb des Gebüsches und der Laubbäume zurückführen, oder auch im Totem des Winters (Winter), wo graue und silberne Farbtöne der nebligen oder verschneiten Winterlandschaft überwiegen. Die Natur, die wir durch Evokation in unseren Geist und unser Herz erahnen und erleben, was uns an einige Gedichte von Gabriele D'Annunzio erinnern lässt, wie Autunno (Herbst)[1], La neve (Schnee)[2], La sera fiesolana (Abend in Fiesole)[3] oder La pioggia nel pineto (Der Regen im Pinienhain)[4]. Und gerade dann, in den Werken der anderen Gruppe, siehe da, kommen fallende Tropfen eines virtuellen Regens, der sich auf der dunklen kobaltblauen Farbe der Nacht hervorhebt (Water drops), Tropfen, die sich in den verschiedenen Elementen auffinden können, die ein Totem formen, und die wie in einer Serie von Aufnahmen, angefangen von der obersten Stelle, mit dem Aufprallen auf der Erde in der letzten 'Aufnahme’ am Boden enden (The falling drops). Oder doch nur ein Tropfen, zäh und leuchtend, auf einem roten Hintergrund, wie er aus einem unsichtbaren Alambik fällt, seine ursprüngliche Form wegen der Schwerkraft verliert, zerstreut, stirbt und sich in eine kompakte und gewundene anamorphe Realität wandelt, die an ein 'lebendiges’ und flüchtiges Quecksilber erinnert (Drops), jenes Quecksilber, welches in der Alchemie zusammen mit Schwefel als ursprüngliches Element angesehen wurde, mittels welchem alle anderen Metalle entstanden sind, sogar Silber und Gold, und welches in sich alle unterschiedlichen Aspekte und die Qualität der Materie umfasst.

Und dann wieder können auf der roten monochromen Leinwand zerstreute Tropfen wie etwa Wein in einem Glas (Wine in the glass) auftauchen, oder auf der dunkelblauen Leinwand eine Pfütze (Puddle), die realistisch an Wasserspritzer erinnern, die mit flüssigem 'geworfenem‘ Metall ausgeführt wurden, das daraufhin erhärtet ist, oder auch an 'gefrorene‘ Gießereien der Eiszeit (Ice Age), eines versteinerten Wasserfalls (Waterfall) oder Eiszapfen (Icicle). Alles dreht sich ständig um Wasser und Metall, deren Erhitzung und deren Verschmelzung und Verdunstung und wieder um deren Kühlung und deren Kondensation und Erhärtung: solve et coagula, danach strebten stets die Alchemiker, zwecks der Evolution und Regeneration.

Komplexere kompositorische Strukturen in Snow ball in the air (Schneeball in der Luft), wo sich der silberne Schneeball des metallischen 'Schnees' (fast korrodierte und unlesbare Münze aus anderen Zeiten) am dunklen Himmel im Hintergrund 'wirbelt', aufgeteilt in vier Rechtecke, als ob man ihn von einem Fenster betrachtet, das einen weißen Fensterrahmen hat und das uns an einige – obwohl informellere und gestikalischere – Unterbrochene Blicke

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[1] "Oh Herbst, der du in ihren Augen / und im stillschweigenden Meer / dein lohfarbenes Gold / widerspiegelst / […] noch nie habe ich solch eine / starke / Trauer gehört, wie nur du sie verbreitest / […] unter all dem toten Laub! / […] Sie schwieg, eingeschlossen in eine schwarze / Tunika, in der blasse Blüten zerstreut waren /, oh Herbst, wie auch deine, die du / vergoldest / am kahlen Stiel […]".

[2] "Setze dich herab in Frieden, / oh Schnee: verteidige die Wurzeln / und Sprossen, / die noch / viel Grün an das Vieh, / und dem Mensch sein Brot schenken werden".

[3] "[…] Der Baum [der Maulbeere] […] nimmt eine silberne Farbe an / mit seinen blätterlosen Ästen […]. Oh Abend, / sei gepriesen wegen deines perlmuttfarbenen Gesichtes […] Mein Abendgesang soll dir süßlich sein / wie der Regen, der klopft, / lau und flüchtig […] über die Weizenfelder, die noch nicht reif sind / auch nicht grün, / und über das bereits geerntete Heu, / das seine Farbe wechselt […]. Oh Abend, / sei gepriesen wegen deines reinen Todes / Abend, und der Erwartungen, wegen welcher in dir / die ersten aufkommenden Sterne flackern!".

[4] "[…] ich höre / neue Worte, / die von weit entfernten Tropfen und Blättern erzählen. / / Höre. Es regnet / aus zerrissenen Wolken. / Es regnet auf salzige, trockene / Tamarisken, / Es regnet auf die schuppigen und stacheligen / Pinien, / Es regnet auf die göttliche / Myrthe […]. Jetzt hört man auf allen Blättern / den silbernen Regen / prasseln, / der wäscht […]".

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(Vedute interrotte) aus der populären Kunst von Mario Schifano erinnert. Lyrische und träumerische 'Eindrücke', die eine greifbare Form am Nachthimmel erhalten, der mit Sternen und einem großen Mond mit metallischer Reflexion bestickt ist. Im Dance of the metals (Tanz der Metalle) auf einem charakterlosen, eintönigen Hintergrund, zerbricht das 'kochende‘ flüssige Metall in Bäche und Tröpfchen wie Öltropfen im Wasser, wie eine Galaxie, die nach dem Urknall explodiert ist, in einer prächtig zentrifugalen Dynamik, die erstaunt an die Größe des Kosmos erinnert, aber die im pauperistischen Mikrokosmos der Leinwand und der sozusagen unter dem Mikroskop erfassten organischen Materie projiziert und blockiert ist.

Aber Beckers Werke sind nicht immer ein rein natürliches Erlebnis: In der Triptychon-Komposition Hanging heards (Hängendes Herz), hängt vom letzten weißen Quadrat, über dem sich ein gelöchertes Metallnetz befindet, aufgehängt an einer Kette, ein surrealistisches kleines Herz aus dem postmodernen und populären Märchen, dem keinerlei breite ironische Akzente fehlen. The Scream (Schrei) ist eine gewisse Art der modernen Reinterpretation, die mit einem ‘kalten’ Beiklang die optische Kunst berührt, des Sturm und Drangs des achtzehnten Jahrhunderts, auf dem sich die deutsche Romantik begründet (aber die teilweise freit vom Gefühl Goethes Erhabenheit und destruktiver Kraft ist, die alles überwälzt und vernichtet) und Munchs existenziellen und allumfassenden Schreis. Ein metallischer und silberner Tropfen-Zäpflein befindet sich im Zentrum einer Aura von akustischen ‘Wellen’ (geformt aus dem schwarzen monochromen Hintergrund der Leinwand), die sich strahlenförmig zwischen den hexagonalen geflochtenen Nähten eines überschlagenen Metallnetzes ausbreitet. Die Farbe zeigt sich dann in einem schwarzen Abbild und wird selbst zur Ikone. Das absolute und primäre Monochrom, das eine Absorption des gesamten Lichtspektrums darstellt, nimmt sämtliche Vorzüge des Erhabenen an, ohne dabei in die Formen der konzeptuellen Kunst unterzutauchen. Anders ausgedrückt, wenn wir das Konzept von Kant über die Ästhetik des Erhabenen anwenden, das er in seiner Kritik der Urteilskraft geäußert hat, können wir bestätigen, dass wir bei Becker keine dynamische Erhabenheit vorfinden, die eine Verwunderung und Entsetzung wegen der Bewusstheit über unsere eigenen Grenzen und unsere Unbeholfenheit ankündigt, sondern eine mathematische Erhabenheit, wo uns das ruhige Nachdenken über unsere eigene Würde über die Unermesslichkeit und nicht messbare Großartigkeit der bloßen Natur stellt.

Und dann, in der blauen Farbe der generellen Monochromie, fällt das in ein rationales und geometrisches rechteckiges Dreieck ausgeschnittene Metallnetz auf, von dem informelle und ‘irrationale’ Tropfen hängen oder fallen. Das paradigmatische Beispiel für contaminatio oder coincidentia oppositorum, das in Beckers Werken präsent ist und über welches wir gesprochen haben, d. h. ein dialektisches und kein Konfliktverhältnis zwischen ratio und pathos insensatus, zwischen Instinkt und Vernunft, zwischen Geist und Herz, typisch für die germanische Kultur noch seit dem neunzehnten Jahrhundert. Doch die vielleicht am meisten symbolischen Werke im letzteren Sinne sind My way (Mein Weg, Auf meine Art), Brothers in arms (Umarmung der Brüder, Mitkämpfer) und die Serie Money for nothing (Geld für Nichts).

Auf dem ersten dieser Bilder fallen auf einem lilafarbenen Hintergrund unterschiedliche senkrechte Elemente auf, die so erscheinen, als ob sie die mittlere, gestrichelte Linie eines Straßenweges bilden; doch nicht alle sind perfekt gerade angeordnet, als ob man nicht so sehr auf die ‘Unglücke auf dem Weg’ entlang der Straße wie auf den Ausgang aus der Monotonie der Einheitlichkeit, aus der Masse hindeuten möchte, um unsere eigene Persönlichkeit zu bestätigen, die bei jedem anders ist und aus den stereotypen Konventionen herausgeht. Im zweiten Werk überschneiden sich zwei Kreise oder Ringe aus Metall auf einem roten Hintergrund, und deren 'eheliche’ Vereinigung verweist auf das Gefühl der Solidarität, Kollegialität und Kooperation, auf den Geist der Gemeinschaft und der Brüderlichkeit während einer Zeit des ‘Kampfs’ ums Überleben. Letztendlich ist die dem Geld gewidmete Serie etwas wie eine ruhige Überlegung über die Relativität des Geldwertes: Münzen aus Kupfer und Messing, die reingelegt und eingebettet in Bleigüsse sind, wieder auf monochromen Leinwandhintergründen, blockiert, gefangen wie in der Tiefe einer Schlucht nach dem Versinken eines Schiffes, das sie getragen hatte; es widerhallt nicht mehr das Klingeln, das Geld ‘eilt’ nicht mehr, es hat seinen Nutzen verloren, keinen Wert mehr, es hat seinen trügerischen ‘göttlichen’ und allmächtigen Zweck verloren.

Elements, Elemente sind der Titel seiner Ausstellung. Die Elemente einer Menge, d. h. die Komponenten, die Hauptbestandteile, die infolge ihrer Aggregation eine Einheit bilden, aber auch die chemischen Elemente der Periodentafel, gasförmige, flüssige oder feste (wie etwa, geordnet nach der steigenden Atomzahl bzw. der Protonenzahl, Eisen, Kupfer, Silber, Zinn, Gold, Quecksilber und Blei, noch aus alter Zeit bekannt). Unter diesem Begriff können wir sowohl verschiedene monochrome und serienmäßige ‘Mosaikelemente’ oder ‘Kärtchen’ verstehen, die unterschiedliche mögliche Aggregationen bilden, wie in der mechanischen DNA-Kette des Lebens, als auch verschiedene metallische ‘Elemente’, welche die zitternde ‘Seele’ in die kalte und leblose Materie drücken, wo der ‘Experimentendurchführer’ Axel die Rolle eines modernen Alchemikers auf der Suche nach ‘seinem’ Stein der Weisen spielt, der gewöhnliches Metall in Gold und Silber wandelt, d. h. Materialität in Geistiges wandelt. Bereits im Platonismus nahm man an, dass die gesamte Natur intim mit Energien und geheimnisvollen Kräfte angesiedelt ist, einer Art leuchtenden Irrlichtern aus Goethes Essays, versteckt im Dunkeln der Materie und Mutter Erde, wobei die Aufgabe der Philosophen war, jene erneut zu wecken. Die Aufgabe des Künstlers ist, - so scheint, dass Becker es anspielt - dass er den auf den ersten Blick unvereinbaren Dualismus zwischen dem lebendigen Geist (die zuckenden und informellen Metalle) und der amorphen Materie (die abstrakten geometrischen Monochrome) überwältigt, der sich in der Korrespondenz zwischen der externen 'Werkstatt‘ und des inneren 'Labors‘ sichtbar macht und dabei die Möglichkeit schafft, dass alle in den Eingeweiden der Erde sich befindenden Metalle symbolisch dazu vorbestimmt werden, erneut sich zu Silber und Gold zu wandeln (Vollkommenheit in der ganzen Materie): So saniert die Union zwischen den fälschlichen Gegensätzen den ‘Zerfall‘ der bloßen ‘logischen‘ Materie und drückt in sie dieses irrationale quid und absurdum, welches sie stimuliert.

Axels 'silbernes‘ Metall, sein geschmolzenes Zinn in Tropfen, welche sich auf dem Untergrund zerstreuen, setzen dieses Element in Kontakt mit der eigenen alchemischen Symbolik, die ein Atemzug ist, und damit eigentlich der Atem des Lebens. Wie in der großen transzendentalen Allegorie der heiligen und königlichen Festung von Monreale und deren Mosaike ist gerade das Licht der leitende Faden, der das Ganze zum Aufrollen bringt: Das Licht, welches diese Metallgießereien reflektieren, die 'formlose‘ oder 'auf eine andere Art‘ förmige 'Präsenzen‘ bilden, personalisiert und belebt, fast als ob es sie spiritualisiert, diese Materie, die beherrscht ist von klarem Verstand und ewigen und unveränderbaren, geometrischen, mathematischen und physischen Gesetzen, Gesetzen der Evolution und des Fortbestands der Natur im Universum.

Giampaolo Trotta